Es ist schon ein kleines Wunder: da steht in einer kleinen kath. Dorfkirche einer protestantisch geprägten Landschaft die schönste und am besten erhaltene historische Orgel der Jahrhundertwende
der ganzen Gegend, die darüberhinaus durch ihre spezielle Bauweise sogar überregionale Bedeutung besitzt. Es handelt sich hierbei um ein in den Jahren 1911/1912 für diese Kirche gebautes, rein
pneumatisch traktiertes Instrument der Firma Joh.Klais, Bonn, das in seiner ganzen technischen wie musikalischen Anlage unverändert bis heute erhalten geblieben ist. Weder zwei Weltkriege noch der
kirchliche "Bildersturm" der 50er und 60er Jahre (dem die Fialen am Orgelgehäuse vorübergehend zum Opfer fielen) konnten der Substanz dieses Instrument etwas anhaben. Und auch die sog. Orgelbewegung
mit ihrem gerade in den 50er-70erJahren intoleranten Grundsatz, dass nur ein am barocken Orgelbau orientiertes Instrument wirklich den Namen Orgel verdiene und alles andere dekadent sei, konnten dem
Holper Kleinod nicht schaden. Natürlich, das geschah in der Vergangenheit nicht nur aus Weitsicht oder hohem Kunstsinn heraus sondern eher irdischeren Interessen. So wollte die katholische Gemeinde
nach schweren Zeiten Anfang unseres Jahrhunderts durch ein so wertvolles und auch romantisch klingendes Instrument ihre Eigenständigkeit in einer Diaspora deutlich machen. Und als der Geschmack dann
Mitte unseres Jahrhunderts von solchen Instrumenten nichts mehr wissen wollte, da war (aus heutiger Sicht) glücklicherweise kein Geld mehr da für einen Orgelneubau oder eine völlige klangliche
Veränderung, wie sie (leider!) vielerorts geschehen ist. Und heute? Heute sucht die Fachwelt nach solchen Instrumenten, von denen es eben nur noch sehr wenige gibt und noch wenigere, die sich in
einem so gut erhaltenen Zustand befinden. Heute preisen Organisten wie Organologen diese so klingenden Orgeln als Zeugen einer wesentlichen Epoche des Orgelbaus, die für die Musik dieser Zeit das
adäquateste Instrument darstellen. Doch was macht nun diese Orgel aus klanglicher und technischer Sicht zu so etwas Besonderem:
1. Die Disposition (=Zusammenstellung der Register) zeigt ein geschlossenes Klangbild einer kleineren Orgel der Spätromantik: - viele grundtönige Register (in der Disposition als 8 'zu erkennen),
also Register, die in der originalen Tonhöhe der Klaviatur klingen.
- Anordnung der Manual- und Pedalwerke nach dynamischen Prinzipien (II. Manual = leise; I.Manual = laut; Pedal = Fundament), nicht nach dem sog. Werkprinzip ( jedes Manual ist eine kleine Orgel für
sich)
- viele Streicherstimmen (Gamba, Aeoline und als Schwebung Vox coelestis), die wie das ganze Klangideal spätromantischen Orgelbaus Folgendes erreichen sollen: der Orgelklang soll möglichst nahe an
das geschlossene Klangbild eines romantischen Symphonieorchesters kommen.
2. Von der technischen Seite ist die völlig erhaltene sogenannte pneumatische Traktur eine nur noch selten zu findende Besonderheit.
Bei dieser Form der Spielmechanik wird die Verbindung von der Taste zur Pfeife nicht, wie bei der heute wieder üblichen mechanischen Traktur, durch ein Holzgestänge hergestellt sondern durch kleine
Bleiröhrchen (sog. Kondukten), durch die bei Tastendruck Luft strömt (sog. Arbeitswind). An der Pfeife öffnet dieser Wind mittels einer Membran das Ventil, das die Luft in die Pfeife strömen lässt
(sog. Spielwind). Es gibt also zwei völlig verschieden Windsysteme. Man erfand und baute diese Art der Traktur im vergangenen Jahrhundert, weil sie wesentlich leichtgängiger als die mechanische
Traktur ist und so ein virtuoseres Spiel ermöglicht. Erkauft wird dieser Vorteil allerdings durch eine kleine zeitliche Verzögerung vom Tastendruck aus, bis der Ton erklingt. Daher hat man später
vielerorts solche Systeme elektrifiziert. In Holpe tat man das nicht. Man liess sogar die Kalkantenanlage für den Balgtreter in Funktion, als man in den dreissiger Jahren einen Motor anschaffte. All
dies zeigt, dass es sich bei der Holper Orgel einerseits um ein wertvolles Stück orgelbaulicher Geschichte mit überregionaler Bedeutung handelt. Andererseits aber stellt diese Orgel auch aus heutiger
Sicht ein sehr gutes Instrument dar (heute werden Orgeln eines solchen Klangideals wieder nachgebaut !), das seinen Aufgaben in Liturgie und Konzert voll gerecht werden kann. Möge die Holper Orgel
noch lange viele Menschen erfreuen; mich erfreut sie jedes Mal, wenn ich mit ihr musizieren darf. Disposition der Orgel:
I.Manual | II.Manual | Pedal | Koppeln |
Prinzipal 8' | Geigenprinzipal 8´ | Subbass 16' | II-I, II-P, I-P |
Flauto 8' | Liebl.Gedeckt 8' | Violon 8' | Sub+Super II-I |
Viola da Gamba 8' | Aeoline 8' | ||
Oktave 4' | Vox coelestis 8' | ||
Oktave 2' | Flauto dolce 4' | ||
Mixtur-Cornett 3-4fach |